30. Jul 2021

Venezia – La città degli scandali – Rapporti V-VI

Villa delle Rose – Giardino Eden, Fondamenta Rio Croce, Isola della Giudecca, Venezia, 100 × 100, 2021. Foto: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin

V. Die Affäre Wasserblum

Um ihr – unter anderem – venezianisches Erbe, den an der Fondamenta della Croce (Giudecca) gelegenen berühmten Giardino Eden samt dem Palazzo delle Rose, wurde zweifellos die Umweltmeteorologin und Künstlerin Heidelinde „Wasserblum“ Trimmel betrogen. Ihr Vater, Friedensreich Hundertwasser, kaufte die Immobilie zu Lebzeiten über die Gruener Janura AG in der Schweiz, dessen Alleineigentümer er selbst war. Heidelinde ist die einzige Tochter Hundertwassers. Sie durfte ihren Vater leider nie kennenlernen. Ihren Künstlernamen leitete sie von dem ihres Großvaters Stowasser ab – sie vermählte ihn mit dem Begriff der Nymphaea, einer Pflanzengattung, die der Familie der Seerosengewächse angehört. Namentlich der Wasserblume, die für die Tochter Hundertwassers den Inbegriff der Transformation darstellt.1)

Mit einer Strafanzeige gegen Joram Harel, den Manager ihres Vaters, der auch Vorsitzender der Hundertwasser Stiftung ist, ging sie an die Öffentlichkeit und machte auf einen unglaublichen Skandal aufmerksam. 2001 behauptete Harel, dass Friedensreich Hundertwasser aufgrund des aufwendigen Lebensstils sein im Laufe des Lebens verdientes Millionenvermögen verbraucht habe und sein Konto kein Guthaben aufweise. Eine unglaubliche Behauptung, wenn man weiß, wie bescheiden und anspruchslos Hundertwasser gelebt hat. Der Manager versuchte dessen Tochter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit einem mehr als unseriösen Angebot abzufertigen: gegen Abtretung ihrer Erbschaftsansprüche sollte sie 145.000 Euro und ein Hundertwasser-Bild erhalten. Wider besseres Wissen willigte die Tochter ein. Vom „Hundertwasser-Krimi“ schrieb darüber treffend der Redakteur Markus R. Leeb in der Zeitschrift News am 2. August 2013. Die österreichische Tageszeitung Die Presse veröffentlichte am 9. Februar 2013 einen diesbezüglich interessanten und ausführlich recherchierten Artikel von Andreas Wetz (https://www.diepresse.com/1342926/hundertwassers-verschollenesmillionenerbe). Nach diesem stehen Theorie und Aussagen des Hundertwasser-Managers auf tönernen Füßen.

Nachforschungen brachten Widersprüche und Unwahrheiten ans Tageslicht und lassen darauf schließen, dass Hundertwasser zum Zeitpunkt seines Todes zwar nicht über große Geldbeträge, aber über eine ganze Reihe anderer und zum Teil erheblicher Vermögenswerte verfügt hatte. Vermögenswerte, die seiner Tochter im Verlassenschaftsverfahren um den Pflichtteil verschwiegen wurden. Auszugsweise – neben dem Giardino Eden in Venedig, der einen zweistelligen Millionenbetrag Wert ist – geht es um einen 370 Hektar großen Landstrich in Neuseeland, ein Naturparadies in der Bay of Islands, um die Verwertung des inzwischen um mehrere Millionen Euro verkauften Kunsthauses in Wien, das gegenüber der Erbin als wertlos und überschuldet dargestellt wurde, sowie um Hundertwasser-Werknutzungsrechte, deren Höhe exorbitant sein dürften.

From left to right: Friedensreich Hundertwasser, 42 x 28, signed and framed portrait photograph, private collection, Giudecca Venezia. Namida AG, Gruener Janura… Door sign at the entrance of Palazzo delle Rose, Giudecca. The Hundertwasser Heritage, a film project within the framework of Factum. Namida AG, Doorbell at the entrance bridge to the Giardino Eden. Hundertwasser thriller, Daughter of the successful artist: „I was cheated out of my inheritance“, a report by Markus R. Leeb, News, Friday, August 2, 2013. News article photographer: Roland Ferrigato. All reproductions and photography: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

Die Verantwortlichen, die Hundertwasser Privatstiftung und ihr Vorstand, Hundertwassers ehemaliger Vertrauter Joram Harel, bestreiten bis heute jedwede Schädigungsabsicht. Trotz gegenteiliger Hinweise. In seinem ausführlichen Artikel schreibt Andreas Wetz: „Doch in der Grüner Janura AG, die heute Namida AG heißt und ihren Sitz seit jeher im schweizerischen Glarus hat, schlummern noch mehr Werte. Etwa die kostbaren Werknutzungsrechte Hundertwassers, die dieser – Kritiker meinen, um Steuern zu sparen – schon vor langer Zeit an seine eigene Firma übertragen hatte. Exmanager und Stiftungsvorstand Joram Harel bestätigte das 2008 in der ORF-Sendung Kulturmontag. Allerdings stehe die Grüner Janura AG in keinem Zusammenhang mit Hundertwassers Erbschaft. Zitat aus einem Telefax: Die Stiftung hat damit nichts zu tun und lukriert daher auch nichts.

Aufschlußreich ist auch der Artikel Hundertwassers geheime Tantiemen von Andreas Wetz in der Tageszeitung Die Presse vom 5. April 2013 (https://www.diepresse.com/1385187/hundertwassers-geheime-tantiemen), der die Umsatzerlöse der Gruener Janura betreffend Reproduktionen von Bildern und Grafiken, die in Auflagen von wenigen hundert bis mehreren tausend Stück verwertet und vertrieben werden, aufschlüsselt. Der Druck Good Morning City, wurde allein 10.000 Mal angefertigt und wird derzeit mit 4.500 Euro gehandelt. Weitere Werke, von denen laut offiziellem Werkverzeichnis weltweit über 25.000 Stück existieren müssen, werden pro Exemplar zwischen 3.550 und 11.600 Euro gehandelt. Von den Erlösen aus Postkarten, Kunstdrucken2), Katalogen, Büchern, gerahmten Premium-Postern3), Ausstellungsplakaten4) und diversen Merchandisingartikeln5) wie Dekomagneten, Tragtaschen und anderen, an Geschmacklosigkeit nicht zu übertreffendem Krimskrams einmal abgesehen.

From left to right: Honored in New Zealand – A tulip tree for Hundertwasser’s daughter Heidi, A report by the Austrian newspaper Kronen Zeitung, Tuesday, February 18, 2014. Report Photographer: Kristian Bissuti. Wasserblums kleine Kreise/Waterblum’s small circles, Invitation to the exhibition of Heidi Trimmel, who exhibited under the name „Wasserblum’s little circles“ on September 6, 2013 in the Village Museum Roiten. My Venetian diary, in which I note down all research about Friedensreich Hundertwasser. On the title page, an old photo of the cover of „La Giudecca Colorata“, a portfolio by Friedensreich Hundertwasser with 5 silkscreen prints in a wooden case from 1997. Friedensreich Hundertwasser, Glasses in the small face, Japanese color woodcut, 35 x 42.5 cm, private collection, Venice. All reproductions and photography: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

Warum über all diese Fakten der Mantel des Schweigens gebreitet wurde und allfällige Fragen bis heute nicht geklärt worden sind, ist mir rätselhaft:

• Wohin versickern die Einnahmen, wenn die Stiftung aus den Werknutzungsrechten nichts lukriert?
• Wann wird sich die österreichische Justiz dieses Skandals endlich ernsthaft annehmen?
• Warum traut sich niemand gegen Joram Harel und die Hundertwasser Stiftung öffentlich aufzutreten?
• Wie stellte es Joram Harel an, jahrelang den Kontakt Hundertwassers zu seiner Tochter zu unterbinden?
• Warum wertete die Staatsanwältin Caroline Pestal-Czedik-Eysenberg die Fakten gegen Joram Harel als nicht belastend?
• Warum bezweifelte ebendiese Staatsanwältin indirekt die Glaubwürdigkeit des Opfers indem fraglich gestellt wurde, ob die damals 30-Jährige überhaupt die Tochter von Hundertwasser sei? Dies stand von Anfang an völlig außer Frage!

Erwähnen Sie den Namen Joram Harel in Künstlerkreisen und beim Besuch von Kollegen und Bekannten, mit denen Hundertwasser in Venedig freundschaftlichen Umgang pflegte, herrscht bei diesen einhellige Wut und Unverständnis über den Manager und Stiftungsvorsitzenden.6) Ein betagter Stammgast des Caffè Zitelle meinte kürzlich: „Der Harel, das ist doch der stupido culo, der im Palazzo Eden gewohnt hat, und der Besitzer, der Fritz7) selbst, im Gartenhaus. Ist der nicht ein ehemaliger Agent des Mossad? Der geht über Leichen. An dem traut sich keiner die Finger zu verbrennen.“

Unter dem link https://www.strafrecht-wien.at/presse/presse-hundertwasser/ finden Sie vom Wiener Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen, MMag. Norbert Haslhofer, gesammelte und publizierte Medienkommentare und Reportagen zu diesem Fall.

Eine sehenswerte und äußerst informative Videoproduktion über diesen Skandal können Sie unter https://www.facebook.com/factumtv/videos/2405105749554324 aufrufen.

Postcard of the „Beer Hall Ai Leoncini“ with signed drawing by Friedensreich Hundertwasser, 1982. 10,5 x 15. Private collection, Venice. Located not far from St. Mark’s Square, the pub was famous in the 1920s for its „warm Viennese sausages“ and „goulash“. Today it is popular because of its Mediterranean food, vegetarian dishes and seafood. Photography: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

Der weiterführende Artikel Ein Tulpenbaum für Hundertwassers Tochter Heidi ist unter https://www.krone.at/394019 abrufbar. Eine Reportage über die Vernissage zur Ausstellung von Heidelinde „Wasserblum“ Trimmel, die unter dem Titel Wasserblums kleine Kreise 2013 im Dorfmuseum Roiten ausstellte, lesen Sie unter https://www.rappottenstein.gv.at/ Wasserblums_kleine_Kreise.

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1) 2013 berichtete Heidelinde „Wasserblum“ Trimmel darüber in einem Interview mit der Kronen Zeitung. (https://www.krone.at/359728)

2) Z. B.: Arche Noah, gerahmter dekorativer Kunstdruck von Friedensreich Hundertwasser, 84 x 59cm, in einer Auflage von mehreren 100.000 Stück, momentan im Handel um € 222,90 (Preisstand Juli 2021) erhältlich. Die Wald-Spirale von Darmstadt, gerahmter Offsetdruck, 48 x 48cm, im Handel zu erwerben um € 71,90 (Preisstand Juli 2021).

3) Hundertwasser Replik, Guest of nature, 50 x 40cm, Kunstdruck mit Metallfolienprägung nach Œuvre 775, umseitiges Zertifikat der Gruener Janura AG, keine Angabe der Auflage, ab € 270,00 (Angeboten im Juni 2021).

4) „Über die Umsätze der Gruener Janura (heute Namida AG) wacht das schweizerische Recht. Doch zumindest die Größenordnungen kann man erahnen. Es muss sich um Ansprüche in Millionenhöhe handeln. Bereits im Prozess gegen Metro versicherte die Stiftung nämlich schriftlich, dass allein die Poster-Vervielfältigung eines einzigen Bildes mit dem Titel Hundertwasser-Haus zwischen 1988 und 1998 Umsatzerlöse in der Höhe von zehn bis zwölf Mio. D-Mark (fünf bis sechs Mio. Euro) einbrachte.“ Andreas Wetz, Die Presse, 5. April 2013.

5) Hundertwasser-Teekanne, betitelt Schneckenobjekt, limitiert auf 999 Exemplare, handbemaltes Porzellan, € 1.480,00 (Preisstand Juli 2021). Rollerball (wahrscheinlich aus China), nach (839) Löwengasse – La troisieme peau, erhältlich bei Ars Mundi um € 198,00 (Preisstand Juli 2021).

6) Z. B.: Gespräch mit der Wiener Künstlerin Liselotte Höhs, die seit vielen Jahrzehnten in Venedig lebt und arbeitet.

7) Friedensreich Hundertwasser, von Freunden Fritz genannt.

VI. Das Siechtum der Casa Frollo

Casa Frollo, Fondamenta Zitelle, Isola della Giudecca, Venezia, 100 × 100, 2021. The state of the closed building in June 2021. You can see the accidental reconstruction of the entrance overlooking the garden. Foto: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

Die Casa Frollo, vor einigen Jahren von neuen Eigentümern umbenannt in Villa F, auf der Giudecca gelegen – über diese venezianische Institution habe ich in vergangenen Blogs bereits berichtet. Nach wie vor ist dieses wunderbare, nach Umbauarbeiten von kultureller Entkräftung befallene, dahinsiechende Gebäude geschlossen und nach verschiedensten Immobilienrochaden scheinbar nur mehr ein Dominostein internationaler Anleger und dubioser Geschäftemacher. Hier in Venedig ist es noch desaströser als anderswo, wenn es um Geschäfte mit Häusern und Palazzi geht. Entkernte, durch „Revitalisierung“ verunstaltete oder dem Verfall preisgegebene Gebäude ohne Nutzung sind das Zahlungsmittel der in den verbrecherischen Niederungen des internationalen Moneyshowbusiness tätigen Immobilienzuhälter.

Picture postcard of Casa Frollo from the 1980s photographed by Mauro Parmisani. Published by the Comitato Organizzatore „Amici Casa Frollo“,1) Milano. The garden was famous for its rare Eden roses, the Statue of Mercury and the collection of sculptures. Rosa Eden, also known as Pierre de Ronsard, MEIviolin, and Eden Rose 85, the light pink and white climbing rose, photographed in the giradino comunale at the end of Calle Orti on Giudecca in July 2021. All reproductions, objects and photography: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin, Collezione Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.
Hugo de Soto, Casa Frollo, 1966, Ink on laid paper, 20 x 29. Collezione Robert W. Sackl-Kahr Sagostin., Venice.

Nur mehr eine Erinnerung sind die vielen internationalen Künstler, die überall auf der Welt Werke hinterließen, die in diesem inspirierenden Palazzo entstanden. Z. B. das Pastell The courtyard at the Casa Frollo von Mary Georgina Wade Wilson (1858 – 1939), 2005 bei Christies versteigert. André Massons Bleistiftzeichnung Dormeuse à la Casa Frollo aus dem Jahr 1962 und die Lithographie In der Giudecca, Venedig, die 1963 entstanden ist. Die Mischtechnik Casa Frollo, Giudecca – A Woman seated at a Table drinking Coffee, ein Werk der 19th Century English School, angeboten in Haselmere, Surrey. Die Tuschzeichnung Wolfgang von Schaukal vor der Casa Frollo des österreichischen Graphikers und Karikaturisten Gottfried Pils (1924 – 2018), ausgestellt in der Galerie Moser in Graz 1990. Die unzähligen Federzeichnungen und Mischtechniken der Innenräume und des Gartens der Casa Frollo von Hugo de Soto aus den 60er-Jahren, die überall in der Welt ihre Plätze gefunden haben.

La stessa vista nello stesso anno: „L’attrice italiana Claudia Cardenale davanti a Casa Frollo“, Fotografia, 1962. Collezione Robert W. Sackl-Kahr Sagostin. André Masson, „Vista da Casa Frollo a Piazza San Marco“, Pastello, 1962. Foto: Bertarello, Venezia 1962, 13 x 10. Dalla collezione di Flora Soldan. Riproduzione: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

Eine wehmütige Erinnerung erweckte kürzlich in mir der Artikel Über Puppen, Katzen, Gelati und Ciccetti in der Wochenzeitung Die Zeit vom 26. März 1982, verfasst von Stefania Canaii und Barbara Leimig. Er ist mir bei Recherchen in meinem Archiv untergekommen. „… Dem Fremden werden solche Adressen nur selten verraten, meist ist dieser aber auch ausreichend beschäftigt mit der Suche nach einer einigermaßen passablen und dennoch bezahlbaren Unterkunft. Abgesehen von den Luxushotels sind die meisten Herbergen überaltert, die Zimmer sind eng, und irgendwas funktioniert mit großer Zuverlässigkeit nicht. Aber es gibt rühmenswerte Ausnahmen von dieser venezianischen Faustregel. Die Casa Frollo (Giudecca 10) zählt dazu. Diese schöne, im ursprünglichen Stil des 17. Jahrhunderts erhaltene Villa der Grafen Volpi di Misurata liegt in einem großen Park; aus den geräumigen, mit Stilmöbeln ausgestatteten Räumen (die teilweise kein Bad haben) hat man den schönsten Blick auf San Marco, den Canal Grande und das Zentrum der Serenissima, wie Venedig in Italien gerne genannt wird“, heißt es darin.

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1) Siehe den Eintrag una piccola perla rara auf Tripadvisor aus dem August 2012 : „In Venedig fehlt es nicht an Hotels aller Art und Preisklassen… von Hotels für Ölmagnaten bis hin zur Jugendherberge an der Giudecca… unter ihnen, nach fast einem halben Jahrhundert Erfahrung und mit großem Bedauern die geliebte Casa Frollo an der Giudecca, welche nach dem Tod der liebsten Flora Soldan trotz eines kämpferischen und erbitterten Kampfes der Mailänder Freunde der Casa Frollo leider niemand wiederbeleben konnte…“.

André Masson, At the Giudecca, Venice, 1958, Original lithograph with personal dedication, 37 x 52. Private collection, Venice. Photography: © Robert W. Sackl-Kahr Sagostin.

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